Beigla / Beigle / Beile / Hölzer / Scheiter / Schiter / Stöcke / Tässeln / Tesseln / Tesslen

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Bochtella
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Beigla / Beigle / Beile / Hölzer / Scheiter / Schiter / Stöcke / Tässeln / Tesseln / Tesslen

Beitrag von Bochtella » Fr 19. Mär 2021, 12:30

Grüezi Lesende,

Rechtsinstrumente aus Holz nach F. G. Stebler:

Benennungen:
• Schnätze, Scheiter, Späne, Spyglen, Stialas, Tachères, Tässle, Tesslen, Texle.

Definitionen und Verwendungen:
• Alpscheiter, Alpspäne und Alptesslen dokumentieren Eigentums- und Nutzungsrechte an Gemeinschaftsalpen.
• Kapitalesslen dokumentieren ausgeliehene Kapitalbeträge.
• Kehrtesslen und Schnätze regeln Übernahmepflichten von Gemeinschaftsarbeiten (z. B. bezüglich Nachtwache, Viehhutdienst usw.) oder Nutzungsrechte an Gemeinschaftsgütern (z. B. Backhaus).
• Kerbhölzer dienen der Leistungskontrolle (z. B. Lebensmittellieferung, Milchmengenabgabe usw.)
• Spyglen dienen der losmässigen Verteilung von Alpprodukten auf Gemeinschaftsalpen.
• Wässertesslen dokumentieren Nutzungsrechte an Bewässerungswasser.
• Zehntentesslen dokumentierten Zehntenpflichten.

F. G. Stebler, Die Tesslen im Oberwallis oder hölzerne Namensverzeichnisse, in Die Schweiz : Schweizerische illustrierte Zeitschrift, Bd. 1, 1897. S. 461-464.
Digitalisat auf einer Webseite von E-Periodica, einer Plattform der ETH-Bibliothek Zürich.

F. G. Stebler, Die Hauszeichen und Tesslen der Schweiz, in Schweizerisches Archiv für Volkskunde = Archives suisses des traditions populaires, Bd. 11, 1907, S. 165–209.
Digitalisat auf einer Webseite von archive.org

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Re: Beigla / Beigle / Beile / Hölzer / Scheiter / Schiter / Stöcke / Tässeln/ Tesseln / Tesslen

Beitrag von Bochtella » Sa 20. Mär 2021, 08:33

Grüezi Lesende,

Holzurkunden nach Max Gmür:

Benennungen:
• Beigle, Beile, Hölzer, Scheiter, Stöcke, Tesseln.

Definitionen und Verwendungen:
• Abrechnungshölzer.
• Kapitaltesseln im Sinne von Schuldurkunden, die Schuldner den Gläubigern geben.
• Kehrtesseln für öffentlichrechtliche Leistungen, die abwechslungsweise von Einzelnen verrichtet werden müssen.
• Loshölzer für die losmässige Zuteilung von Rechten und Pflichten.
• Quittungs- und Forderungshölzer, die berechtigen Vieh auf die Gemeindeweide zu treiben.
• Rechtsamehölzer, die Mitgliedschaftsrechte beurkunden.
• Wassertesseln und Alprechtshölzer bzw. Alpscheiter eine primitive Form von Wertpapieren.
• Zählstöcke zur Notierung des Gewichts für wiederholte Leistungen.

Max Gmür, Schweizerische Bauernmarken und Holzurkunden, in Abhandlungen zum schweizerischen Recht, Bern 1917, Heft 77, 2. unveränderte Auflage 1991.
Heinrich Glitsch, Buchbesprechung, in Anzeiger für schweizerische Geschichte = Indicateur de l'histoire suisse, Bd. 17, 1919, Heft 1, S. 56-58
Digitalisat auf einer Webseite von E-Periodica, einer Plattform der ETH-Bibliothek Zürich.
Das Schwergewicht der vorliegenden Arbeit liegt indessen auf dem zweiten Teil, der eine Monographie der überaus altertümlichen Kerbhölzer, der Nachkommen der altfränkischen "festuca", enthält. Indem Gmür auf sie den juristischen Begriff der Urkunde anwendet, bezeichnet er sie zutreffend als "Holzurkunden". Sie begegnen bei uns namentlich unter dem Namen Tesseln (von tessera), Beile oder Beigle. In einfacher Form finden wir sie als Loshölzer, wie sie bei der losmässigen Zuteilung von Rechten und Pflichten, oder als Zählstöcke, wie sie bei wiederholten Leistungen zur Notierung des Gewichts erfolgten, verwendet werden, oder als Abrechnungshölzer. Von ganz besonderem Interesse sind die merkwürdigen Kehrtesseln und die so genannten Quittungs- und Forderungshölzer. Erstere kommen in der Hauptsache nur im Wallis vor. Sie beziehen sich auf Leistungen öffentlichrechtlicher Art, die "in der Kehr", d. h. abwechslungsweise von den einzelnen Gemeindegenossen verrichtet werden müssen. Solche Leistungen sind namentlich die Viehhut und der Nachtwächterdienst. Die Tessel, ein mehr oder weniger langer Stab, enthält die Hausmarken der Pflichtigen eingekerbt. In der Reihenfolge der Kerben werden die Genossen zur Dienstleistung berufen, wobei der Stab von Hand zu Hand wandert und dem jeweils Pflichtigen zugetragen wird. Als Quittungsholz begegnet die Tessel z. B. in Törbel (Vispertal). Hier muss der Bürger, der sein Vieh auf die Gemeindeweide treiben will, eine Tessel bestimmter Form vorweisen, die ihm der Pfarrer gegeben hat, dem er das schuldige Holz brachte. Sehr merkwürdig sind dann auch die sogenannten Kapitaltesseln, wie sie wohl nur noch in Visperterminen vorkommen. "Die Gemeinde, die kirchlichen Stiftungen und die verschiedenen Genossenschaften besitzen Kapitalien, die sie meist in kleineren Beträgen bei den Bürgern ausgeliehen haben. Als Schuldurkunde gibt der Schuldner dem Gläubiger eine Tessel, versehen mit seinem Hauszeichen, ferner auf der Rückseite mit der Angabe der Schuldsumme in Bauernzahlen. Der Gläubiger bewahrt diese Kapitaltesseln an einer Schnur aneinandergereiht auf . . . . Wird eine Schuld abbezahlt, so entfernt man die Tesseln aus der Reihe . . ." Schliesslich werden noch die Rechtsamehölzer erwähnt, bei denen es sich um Beurkundung von Mitgliedschaftsrechten handelt, so die "Wassertesseln" des Wallis und die "Alprechtshölzer" (Alpscheiter). Die Besonderheiten dieser Tesseln bieten namentlich für den Juristen grosses Interesse, da sie eine primitive Form der Wertpapiere darstellen.

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